Arno Meyer sammelt in seiner Freizeit von den Straßen und Wegen am St. Ingberter Wallerfeld, was andere wegwerfen.
„Wir alle gehen schon fast blind am Müll vorbei.“ Arno Meyer ist der Mann mit der Tüte und der Greifzange. Jeden Mittag sammelt er in St. Ingbert achtlos Weggeworfenes ein. In seiner Freizeit. Der Familienvater aus Illingen arbeitet bei SAP und nutzt seine Mittagspause, um vor die Tür zu kommen. „Viele meiner Kollegen gehen laufen und auch ich brauche einen Ausgleich“, erzählt er. Jeden Mittag nimmt er sich eine Tüte zur Hand und fing mit dem Sammeln an. Inzwischen macht er das bereits seit anderthalb Jahren. An den Werktagen in St. Ingbert, am Wochenende in seinem Wohnort Illingen. 1200 Meter ist seine Strecke in der Biosphärenstadt lang und führt am SAP-Parkhaus vorbei hinauf zum Berufsbildungszentrum, dort um den Block, in die Ensheimer Straße und über den Bahnhof zurück.
Auf den Gedanken sei er bei einem Besuch in China gekommen, von wo seine Frau stammt. „Wir besuchten einen Strand, der mal als einer der schönsten Strände Chinas galt. Innerhalb von ganz kurzer Zeit hat sich dieser Strand in eine Kloake verwandelt.“ Zurück in Deutschland fiel ihm auch hier überall der Müll auf. Seit den Achtzigern, so Meyer, habe sich viel verändert. Früher wurde weniger weggeworfen. Auch in St. Ingbert kommt jeden Tag immer neuer Müll hinzu. Beutel voller gebrauchter Windeln, Einweg-Kaffeebecher und vieles mehr. Seine Erkenntnisse? „Im Saarland gibt es ein großes Alkohol- und Drogenproblem. Es liegen sehr viele Flachmänner und Glasflaschen in den Hecken und auch kleine Tütchen für Amphetamine. Das ist hier stärker verbreitet, als in anderen Regionen.“
Inzwischen kennt Meyer die typischen „Wegwerfmarken“ der besonders günstigen Supermarktprodukte und der großen Fast-Food-Ketten. „Es wird wirklich alles weggeworfen. Oft auch unbenutzte Dinge.“ Darunter Batterien, Elektronik, Einwegdosen von Energydrinks und besonders viel Plastik. Gesellschaftliche Sanktionen gebe es leider nicht, bedauert Meyer. „Jemand, der Müll ins Gebüsch wirft, wird darauf nicht angesprochen.“
Und Arno Meyers Engagement endet nicht mit dem Sammeln: Die vielen Coffee-to-Go-Becher, die er täglich findet, haben ihn dazu veranlasst, eine eigene Initiative zu starten. Mit „Bäckerei Becherfrei“ versucht er Bäckereien davon zu überzeugen, auf die Einwegprodukte zu verzichten. Ein schwieriges Thema, wie er feststellen musste. „Im Saarland ist das Umweltministerium strickt gegen ein Pflichtpfand. Das könnte daran liegen“, spekuliert Meyer, „dass bestimmte Tankstellen und Fast-Food-Anbieter Kooperationspartner vom Umweltministerium sind.“
Ein Foto des eingesammelten Mülls veröffentlicht er täglich auf Facebook. Dort hat sich inzwischen eine Gruppe Gleichgesinnter mit dem Namen „Wandern u. Müll sammeln“ gebildet. Über 200 Mitglieder zählt sie aktuell, worüber Meyer sich besonders freut. „Es ist ermutigend, dass wir immer mehr werden.“ Er möchte aber nicht nur Gleichgesinnte erreichen, sondern vor allem die Verursacher. „Es geht um die Welt, in der unsere Kinder in Zukunft leben.“
Nach einem Gespräch mit der Schulleitung des St. Ingberter BBZ soll von dort aus ebenfalls etwas unternommen werden. Erste Maßnahmen sind bereits eingeleitet. Der Hofdienst wurde verstärkt, das Bistro nutzt keine Einwegbecher mehr und eine Gruppe von Lehrern nimmt sich dem Thema Abfallvermeidung an. Meyers Hobby motiviert andere. So hatte er im Sommer für kurze Zeit einen Helfer. Ein junger Mann aus Syrien sprach ihn auf das Sammeln an. „Ich erklärte, dass das nur ein Hobby und kein Job ist, aber er wollte mitmachen und stand am nächsten Tag am vereinbarten Ort. Er meinte, dass es schon reicht, dass sein Land kaputt ist.“ Leider war Basil, so sein Name, nur vier Wochen zu Besuch bei seinem Bruder in Deutschland. Danach musste er zurück nach Spanien, wo er ein Bleiberecht hat. Dort arbeitet er in der Gastronomie. Aber auch das Müllsammeln hat er beibehalten, wenn ihm die Zeit dazu bleibt. Die beiden Männer haben noch weiterhin Kontakt und tauschen sich regelmäßig aus.
Arno Meyer geht weiter mit gutem Beispiel voran. „In den Medien wird es oft so dargestellt, als gäbe es nur im Meer Plastikmüll. Fast alles, was im Meer schwimmt, kommt aber vom Land und könnte hier sehr einfach eingesammelt werden“, erklärt er. „Müllsammeln ist sehr einfach. Man kann es immer und überall erfolgreich machen.“ Und jeder könne mithelfen.